22.08.2012 Steuerhinterziehung und Selbstanzeige / Bestandsaufnahme

Auch wenn Bundesfinanzminister Dr. Schäuble aufgrund der Verhandlungen über das Steuerabkommen mit der Schweiz die Maßnahmen der Landesregierungen, insbesondere derer Nordrhein-Westfalens, zur Sicherung des Steueraufkommens durch Ankauf von Datenmaterial aus den Händen Schweizer Bankmitarbeiter nicht gefallen, so erleben wir doch in diesen Tagen klare Bekenntnisse der Landespolitik zu diesen Maßnahmen. Für die einen stellen die CD-Käufe (jedenfalls in der Schweiz) strafbare Handlungen dar, für die anderen ist dieses Handeln ethisch bedenklich, und für wiederum andere erfüllt der Staat dagegen insbesondere durch derartige Lösungen „am Markt“ seine Verpflichtung zur Sicherstellung der Steuergerechtigkeit. Die breite Diskussion im Lande über derartige staatliche Beschaffungsprogramme wird wohl solange nicht abebben, solange der Staat sich derartig – mittelbar jedenfalls – finanzieren kann. Dabei lohnt schon ein Blick in die Abgabenordnung um zu der Überzeugung zu gelangen, dass dieses Verhalten so schnell auch nicht aufhören wird. In § 40 der Abgabenordnung (im Folgenden „AO“) ist niedergelegt, dass es „für die Besteuerung unerheblich ist, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt.“ Möglicherweise wendet der Staat diesen Gedanken auch auf die Art der Kenntniserlangung von den der Besteuerung zu Grunde liegenden Tatsachen an. Besteuert wird hierzulande somit auf jeden Fall, sobald die Daten aus den CDs ausgewertet sind. Auf die Höhe der Steuern möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, da insbesondere der Abschluss des geplanten Steuerabkommens mit der Schweiz hierauf essentielle Auswirkung haben kann. Die aktuellen Diskussionen über dieses Thema geben Grund zur Annahme, dass die Umsetzung dieses Abkommens mehr denn je zweifelbehaftet ist. Die Schweizer selbst sammeln jedenfalls schon Unterschriften dagegen und können es mit einem Referendum zu Fall bringen. In Deutschland selbst hat dieses Abkommen noch nicht die erforderliche parlamentarische Zustimmung erhalten. Es wurde schließlich bisher nur von der Exekutive ausgehandelt. Gravierender können jedoch die (steuer-)strafrechtlichen Konsequenzen sein, die den Personen drohen, die auf den Steuer-CDs genannt sind, sofern sie in Deutschland ihren Wohnsitz haben und ermittelt werden kann, dass die in den Daten der CDs benannten Vermögenserträge nicht als Kapitaleinkünfte in Deutschland offen gelegt wurden und/oder, dass das den Erträgen zu Grunde liegende Vermögen entgegen gesetzlicher Verpflichtungen nicht in Deutschland versteuert worden ist. Der Bundesgerichtshof hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach zur Frage der Strafzumessung bei Steuerstraftaten geäußert. Richtungsweisend war dabei das Urteil des 1. Strafsenates vom 02.12.2008, Az. 1 StR 416/08, in welchem der Senat als obiter dictum und damit sozusagen beiläufig die Pflöcke seiner Sicht der Dinge eingerammt hat.

Danach

liegt bereits bei einer Hinterziehungstat, die zu einem Steuerschaden von mehr als 50.000,- € geführt hat, eine Steuerhinterziehung „im großen Ausmaß“ gem. § 370 Abs.3 Satz 2 Nr.1 Abgabenordnung vor. Dies stellt bereits einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung dar, deren Regelfreiheitsstrafe zwischen 6 Monate und 10 Jahren beträgt.
ist ab einem Hinterziehungsschaden von mehr als 100.000,- € regelmäßig nur dann von einer Freiheitsstrafe abzusehen, wenn „gewichtige“ Schuldmilderungsgründe hinzutreten. Die Freiheitsstrafe kann dann aber immer noch zur Bewährung ausgesetzt werden.
ist ab einem Hinterziehungsschaden von mehr als 1 Mio. € regelmäßig nur noch bei „besonders gewichtigen“ Schuldmilderungsgründen die Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Liegen diese Gründe also nicht vor, droht in diesen Fällen eine Gefängnisstrafe.

Nun entscheiden die Gerichte, insbesondere auch der Bundesgerichtshof, nicht schematisch und tarifmäßig, sondern stets unter Abwägung aller Elemente des Einzelfalles, darüber hinaus gelten die oben genannten Leitlinien stets für die einzelne Tat und nicht für die Summe mehrerer Taten (nicht eine, sondern mehrere Taten sind in der Regel bei der Steuerhinterziehung über mehrere Jahre verwirklicht, da hier jede falsche Jahressteuererklärung eine Tat darstellt und nicht mehrere Jahre als eine Tat zusammengezogen werden), doch führen diese Aussagen des Strafsenates deutlich vor Augen, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt (mehr) ist, sondern zu einer ernsthaften Bedrohung persönlicher Freiheiten führen kann, die, wenn sie wegfällt, so leicht mit Geld nicht aufgewogen werden kann. Das Steuerrecht hilft aber auch an dieser Stelle. Gem. § 371 AO wird jedenfalls wegen einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO nicht bestraft, wer eine sogenannte strafbefreiende Selbstanzeige den Finanzbehörden gegenüber abgibt. Der Einsatz dieses Mittels ist dabei Fluch und Segen zugleich. Wird die Selbstanzeige richtig gestellt, tritt Straffreiheit durch Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ein. Es muss dann im Wesentlichen lediglich die hinterzogene Steuer zzgl. i.d.R. 6% Zinsen, § 233a AO, an den Fiskus entrichtet werden. Wird die Selbstanzeige aber nicht richtig gestellt – hier liegt gerade die Gefahr – liegt den Steuerstrafverfolgungsbehörden das einlassungsgleiche Geständnis auf dem Tisch, das aber die Strafbarkeit nicht beseitigt. In diesem Fall hat man sichtlich mit Zitronen gehandelt. Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, das am 17.03.2011 vom Bundestag beschlossen und am 15.04.2011 vom Bundesrat gebilligt worden ist, hat der Gesetzgeber wiederum nach Verschärfungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Voraussetzungen der wirksamen strafbefreienden Selbstanzeige seinerseits verschärft.

1. Das Wichtigste: Beachtung des Vollständigkeitsgebotes der Anzeige

Zu allen nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart müssen im vollen Umfange die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt und die unterlassenen Angaben nachgeholt werden. Anders war dies unter der alten Rechtslage, d.h. vor dem Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes. Damals trat Straffreiheit soweit ein, wie im Rahmen der Selbstanzeige erklärt wurde. Auf Vollständigkeit musste nicht geachtet werden. Heute reicht dies nicht mehr. Heute muss alles bereinigt werden. Partielle Straffreiheit gibt es nicht mehr. Sollte bspw. neben den unterlassenen Angaben zu Kapitaleinkünften aus der Schweiz in den Jahren 2008 – 2010 fehlerhafte Angaben bei der Veranlagung ihrer Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Jahre 2004 vorliegen, dann müssen auch diese in diesem Zuge berichtigt werden, um in den Genuss der Straffreiheit zu gelangen. Es muss vollständig „reiner Tisch“ für alles aus nicht verjährter Zeit gemacht werden. Nicht festsetzungsverjährt, d.h. in diesem Sinne nicht verjährt, ist bei hinterzogener Steuer dabei i.d.R. ein Zeitraum von 10 Jahren! Ungeklärt ist dabei derzeit noch der Fall der unbeabsichtigten Teilselbstanzeige, also der Fall, in dem unbeabsichtigt nicht alles aufgedeckt wird. Der Gesetzestext schützt diesen Fall nicht, so dass in diesem Fall die Selbstanzeige nach dem Gesetzestext keine Wirkung entfalten soll. Allerdings wird dies als unsachgemäß und als nicht übereinstimmend mit dem Willen des historischen Gesetzgebers angesehen. Zu diesem Punkt lohnt es sich daher die weitere Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur zu verfolgen. Möglicherweise hilft hier sogar der Gesetzgeber ab.

2. Sperrgründe, § 371 Abs.2 AO

Die strafbefreiende Wirkung tritt trotz Beachtung des Vollständigkeitsgebotes in der Selbstanzeige dann nicht ein, wenn die Finanzbehörden der Steuerstraftat bei Einreichung der Selbstanzeige schon „auf die Schliche“ gekommen sind:

a) durch Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung zur Durchführung einer Außenprüfung,
b) durch Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens,
c) wenn ein Finanzprüfer zur Sachverhaltsermittlung erschienen ist,
d) wenn die Steuerstraftat sonst bereits entdeckt ist und der Steuerpflichtige dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, oder
e) wenn die durch eine Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs.1 AO verkürzte Steuer oder der sonst erlangte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 € je Einzeltat übersteigt.

Auch innerhalb der Sperrgründe ist durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz eine Verschärfung eingetreten. So ist die unter Buchstabe a) benannte Regelung (Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung) neu eingeführt worden. Unter der alten Rechtslage reichte die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung noch nicht aus, um die Wirkung einer Selbstanzeige zu sperren, sondern es wurde auf das Erscheinen des Prüfers zur Prüfung abgestellt. An dieser Stelle ist zu diskutieren, welcher Umfang der Sperrwirkung beizumessen ist. U.E. wird der Umfang der Sperrwirkung durch den Umfang der Prüfungsanordnung bestimmt, so dass die Strafbefreiung durch Abgabe einer Selbstanzeige noch hinsichtlich solcher Steuerhinterziehungstaten eintreten kann, die nicht in den Zeitraum fallen, der in der Prüfungsanordnung als zur Überprüfung angezeigt ist. Der unter Buchstabe e) genannte Fall (Steuerschaden größer 50.000,- €) ist ebenfalls neu eingefügt worden. An dieser Stelle kann man sich aber Straffreiheit erkaufen. Gem. § 398a AO wird, wenn nur der Sperrgrund des Buchstaben e) vorliegt, von einer Strafverfolgung abgesehen, wenn ein Geldbetrag in Höhe von 5% der hinterzogenen Steuer an die Staatskasse gezahlt wird. Im Rahmen der Entwurfsgespräche zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wurde noch diskutiert, diesen 5%-Zuschlag auf alle Fälle der im Rahmen einer Selbstanzeige nachzuentrichtenden Steuern zu erheben. In das Gesetz letztendlich Eingang gefunden hat dann doch die Beschränkung dieser Idee auf die Fälle des vorgenannten Buchstaben e). Für alle Steuer-CD-Fälle von Bedeutung ist sodann zu allererst der Sperrgrund des vorgenannten Buchstaben d). Ist die Tat bereits entdeckt und wusste dies der Steuerpflichtige oder hätte bei verständiger Würdigung damit rechnen müssen, tritt auch bei Abgabe einer Selbstanzeige eine Strafbefreiung nicht mehr ein. Durch Aufkauf der CD und Übergabe der Daten an die deutschen Ermittler ist die Tat noch nicht entdeckt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss vielmehr bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben sein (siehe dazu grundlegend BGH v. 13.05.1983 – 3 StR 82/83), um von einer Tatentdeckung sprechen zu können. Die Ermittler müssen also den für die Anklageerhebung geforderten hinreichenden Tatverdacht (vgl. § 170 Abs.1 Strafprozessordnung – StPO) erlangt haben. Dazu müssen die Ermittler die Bankdaten erst auslesen und bearbeiten und damit jeweils in den Einzelfall einsteigen. Die erste Computerauswertung des Rohmaterials der Daten-CDs reicht dazu nicht aus. Anders sehen dies aber wohl die Steuerfahnder des Landes Nordrhein-Westfalens, die jedenfalls in Bezug auf die Lebensversicherungsfälle der Credit Suisse mit Bezug zu den Bahamas (Lebensversicherungsmäntel der Credit Suisse Life Bermuda Ltd.) die Meinung vertreten, dass dieser in der Presse hinreichend konkretisierte Sachverhalt ausreiche, dass die Steuerpflichtigen „durch verständige Würdigung der Sachlage“ mit der Tatentdeckung rechnen mussten. Steuerpflichtige, die mit Bezug zu diesen Fällen Selbstanzeige einreichen, erhalten in diesen Tagen Post der Steuerfahndung, in der diese die jeweiligen Selbstanzeigen als verspätet und damit nicht strafbefreiend zurückweist. Dies ist der Super-Gau einer Selbstanzeige, auch wenn u.E. die Argumentation der Steuerfahndung nicht überzeugend oder gar schlagend ist, denn die Steuerfahndung muss dazu darlegen können, dass sie die Aus- und Bewertung der individuellen Sachverhalte und damit die Bildung des hinreichenden Tatverdachts bereits vor Einreichung der Selbstanzeige vorgenommen hat. Die Sperrwirkung tritt nämlich nur dann ein, wenn der Täter von der Tatentdeckung wusste oder damit rechnen konnte. Die objektive Voraussetzung, die Tatentdeckung, muss aber unabhängig von Wissen oder Kennen müssen der Tatentdeckung vorliegen. Die vorgenannten Ausführungen helfen jedoch dann nicht mehr, wenn die Behörde (vgl. vorgenannter Buchstabe b) die Eröffnung des Strafverfahrens bekannt gibt und damit offiziell mitteilt, dass sie den hinreichenden Tatverdacht für gegeben hält. In diesem Fall kommt jedenfalls hinsichtlich der Sachverhalte, die den Tatverdacht begründen, eine Selbstanzeige zu spät. Die Verteidigung hat sich dann an anderen, straf- und steuerrechtlichen Handlungsleitlinien zu orientieren. Trotzdem stellt sich auch hier die Frage, ob nicht hinsichtlich der noch nicht entdeckten Taten eine Selbstanzeige abgegeben werden kann und sollte, um diesbezüglich Straffreiheit zu erlangen und mildernde Umstände in das zwangsläufige Strafverfahren bezüglich der entdeckten Taten einführen zu können. Abschließend ist zu betonen, dass eine Vielzahl weiterer rechtlicher Einzelprobleme und damit auch Risiken rund um das Thema Selbstanzeige existieren, die jedenfalls bei signifikanten Steuerschäden zwingend die Hinzuziehung steuerstrafrechtlich versierter Berater nach sich ziehen sollte, denn das Finanzamt ist in diesen Fällen kein Freund mehr. Zudem hat der Bundesgerichtshof klar unter Hinweis auf sein Urteil vom 2.12.2005 (5 StR 119/05, wistra 2006, 96), herausgestellt, dass es geboten sei, „dem drohenden Ungleichgewicht zwischen der Strafpraxis bei der allgemeinen Kriminalität und der Strafpraxis in Steuer- und Wirtschaftsstrafsachen entgegenzutreten und dem berechtigen besonderen öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung schwerwiegender Wirtschaftskriminalität gerecht zu werden”. Ziel des Steuerstrafverfahrens ist also nicht mehr nur Wiedergutmachung der Tat durch Nachholung der Steuerzahlung, sondern auch Bestrafung des in der Straftat liegenden Unrechts. Von der Einordnung als Kavaliersdelikte sollte man daher zukünftig nicht mehr ausgehen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige nur hinsichtlich einer Steuerhinterziehung gem. § 370 AO eintreten kann. Bannbruch (§ 372 AO), Schmuggel (§ 373 AO) oder Steuerhehlerei (§ 374 AO) sind nicht in den Wirkungsbereich der Selbstanzeige einbezogen.

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Christoph Schmitz-Schunken
Christoph Schmitz-Schunken
schmitz-schunken@steuerstrafrecht.pro

Christoph Schmitz-Schunken ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt Steuerrecht. Er arbeitet als Experte für Steuerstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht.