16.04.2016 Steuerstrafrecht ist Steuerrecht, Strafrecht und Steuerstrafrecht

Steuerstrafrecht lebt von den Besonderheiten und Widrigkeiten, die sich aus den in der Regel parallel laufenden, aber grundsätzlich eigenständigen und durchaus anderen Grundsätzen folgenden Verfahren des Steuerrechts und des Strafrechts ergeben. Für den interessierten Berater ist diese Situation außerordentlich spannend, für den betroffenen Bürger oder das betroffene Unternehmen und seine Verantwortlichen aber leider auch zermürbend belastend.

Effektive Strafverteidigung macht an dieser Stelle nur Sinne, wenn sie mit Kenntnisreicher steuerlicher Beratung einhergeht, die die Besonderheiten beider Verfahrensordnungen und der jeweiligen Schnittstellen berücksichtigt.

Im Strafverfahren genießen die Beschuldigten die Unschuldsvermutung und die Vorzüge des Selbstbelastungsverbotes (nemo tenetur). Es besteht keine Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhaltes, vielmehr muss der Staat die Vorwürfe im Strengbeweisverfahren darlegen können. Gleichzeitig läuft aber auch das normale Steuerverfahren. In diesem Verfahren sind die umfangreichen Mitwirkungspflichten der Betroffenen zur Aufklärung und Darlegung der Steuergrundlagen während steuerstrafrechtliche Ermittlungen nicht aufgehoben. In diesem Verfahren sind die Steuerpflichtigen weiterhin zur vollen Mitwirkung verpflichtet, um die richtige, nach den Gesetzen festzusetzende Steuerschuld zu ermitteln. Die Mitwirkung im Steuerverfahren führt jedoch nicht zu Beweisverwertungsverboten im Strafverfahren.

Die Konzentration auf nur eine der beiden Disziplinen kann fatale Folgen haben, denn es nützt der schönste Freispruch nichts, wenn hinterher aufgrund der festgesetzten Steuern der wirtschaftliche Ruin eintritt. Steuerstrafrechtlich relevante Steuern können bis zu 10 Jahre (faktisch in der Regel für die letzten 13 Kalenderjahre) nachveranlagt werden. Die derzeitige Zinslast in Höhe von 6% p.a. noch nicht berücksichtigt. Schlimmer ist dann nur noch, wenn der Betroffene als Haftungsschuldner für Schuldner Dritter in Anspruch genommen wird (so bspw. der Geschäftsführer für hinterzogenen Steuern der GmbH oder der Steuerberater für hinterzogene Steuern seines Mandanten).

Steuerstrafrechtliche Ermittlungen führen grundsätzlich die Finanzbehörden, nicht die Polizei. Die Straf- und Bußgeldstellen der Finanzämter tun dies in der Regel aus eigenen Ermittlungsanlässen, zunehmend häufiger aber auch im Auftrage der Staatsanwaltschaften in Verfahren von besonderen Ausmaßen oder sonstiger involvierter Nicht-Steuerstraftaten (bspw. Urkundsdelikten bei Fälschung von Belegen). Da das Finanzamt aber an dieser Stelle als „Finanz“-Polizei oder „Finanz“-Staatsanwaltschaft auftritt muss man ihr auch zwingend als Strafverteidiger und als Steueranwalt entgegentreten. Die Verteidigung setzt dabei maßgeblich an den Feststellungen zu Grund und Höhe angeblich hinterzogener Steuern an. Dazu bedarf es umfassender Kenntnisse des materiellen Steuerrechts.

Läßt sich das Strafverfahren nicht durch verfahrensbeendende Akte auf Ebene des Finanzamtes beseitigen, sondern gelangt es in die Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaften oder der Gerichte werden die Bandagen härter. Hier verlangt es dann nach einer zunehmend strafrechtlich orientierten Verteidigung, die aber nie das materielle Steuerrecht aus den Augen verlieren darf. Ganz besonders wichtig ist dies bei Verteidigungen in Stressituationen wie Durchsuchungen und Haftsachen. Auch dies ist zunehmend im Steuerrecht nicht mehr so selten wie früher. Die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte, nicht zuletzt getrieben durch politische und rechtliche Entwicklungen auf nationaler wie auf internationaler Ebene, ziehen hier deutlich „die Daumenschrauben an“. Das Risiko wächst eindeutig!

Läßt sich das Steuerstrafverfahren nicht mit den Strafverfolgungsbehörden im Sinne einer wachsamen, aber eher kooperativen Verteidigungsstrategie zu Ende führen, dann bleibt es dann doch am Ende manchmal bei den berühmten Worten der Strafverteidigerikone Hans Dahs aus seinem „Handbuch des Strafverteidigers“:

Verteidigung ist Kampf. Kampf um die Rechte des Beschuldigten im Widerstreit mit den Organen des Staates, die dem Auftrag zur Verfolgung von Straftaten zu genügen haben. Im Strafverfahren bringt der Staat gegen persönliche Freiheit und Vermögen des Einzelnen seine Machtmittel mit einer Wucht zum Einsatz wie in keinem anderen Bereich des gesellschaftlichen Lebens.

Christoph Schmitz-Schunken
Christoph Schmitz-Schunken
schmitz-schunken@steuerstrafrecht.pro

Christoph Schmitz-Schunken ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt Steuerrecht. Er arbeitet als Experte für Steuerstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht.