16.05.2013 Strafbefreiende Selbstanzeige: Daten-CDs, Offshore-Leaks und die Schweiz
Ist die strafbefreiende Selbstanzeige angezählt? Daten-CD’s, Offshore-Leak und große Auskunftsklausel mit der Schweiz
Es wird jedenfalls eng! Daten-CDs, die große Auskunftsklausel im Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz und nicht zuletzt das aktuelle Offshore Datenleck erhöhen massiv den Handlungsdruck.
Politisch steht spätestens seit der Causa Hoeneß die Regelung zur strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht, die in § 371 der Abgabenordnung geregelt ist, auf dem Prüfstand. Dies meinen jedenfalls die aktuell auffallend politisch-moralisierenden Volksvertreter dem geneigten Wahlvolk quer durch alle Parteien vermitteln zu wollen. Weshalb vermag jedoch niemand dieser Wortführer so richtig zu erklären. Wie auch, denn die Politik hatte fast 100 Jahre Zeit, sich diesem Thema zu nähern und hat es eben bisher, nicht zuletzt aus fiskalpolitischen Erwägungen, unterlassen, grundsätzlich Hand an diese Regelung zu legen (von Verschärfungen im Besonderen abgesehen).
Bereits der Vorgänger der heutigen Abgabenordnung, die 1919 geschaffene Reichsabgabenordnung, enthielt in ihrem § 374 eine Regelung über die „Straffreiheit“ im Steuerrecht. Seit ehedem hat diese Vorschrift den Zweck, dem Staat bislang verheimlichte Steuerquellen zu erschließen. Es sind somit seit fast 100 Jahren allgemein steuerpolitische Erwägungen, die den staatlichen Strafanspruch zurückstellen und Straffreiheit in Aussicht stellen. Nach der biblischen Rede „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“ hilft die Vorschrift daher die Finanzierung des Gemeinwohls zu sichern und gewährt als Bonbon die persönliche Strafaufhebung und weist daher dem Steuerstraftäter eine „goldene Brücke“ zurück in die Steuerehrlichkeit. Das Strafunrecht, das sicherlich in jeder Hinterziehungstat liegt, wird dann zwar nicht beseitigt, doch verzichtet der Staat dann wohlwollend auf die Strafe selbst und belässt es bei dem erhobenen Zeigefinger, der sich jetzt schon im Falle Hoeneß und schon vor Abschluss der Ermittlungen in einer öffentlichen Bilderkampagne austobt. Und das, obwohl auch für Herrn Hoeneß das Steuergeheimnis gilt und gelten muss.
Für den Staat ist aber die eigene Finanzierung so immanent wichtig, dass er kaum auf die Regelung zur strafbefreienden Selbstanzeige verzichten können werden möchte. Es dient schließlich auch als kleines Element der Sicherung des Steueraufkommens und der Allgemeinwohlfinanzierung. Alles was über die strafbefreiende Selbstanzeige dem Fiskus zugeführt wird, müssen ehrliche Steuerzahler nicht durch Steuererhöhungen selber aufbringen. So muss beispielsweise der Bundesfinanzminister bis 2017 nach derzeitigem Steuerschätzungsstand mit 13,2 Milliarden Euro weniger Steuern auskommen als bisher geplant. Die Grünen rufen dann auch jetzt schon offiziell als Wahlkampfthema Steuererhöhungspläne auf die Tagesordnung, darüber hinaus werden parteiübergreifend Verschärfungen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht angedacht.
Natürlich darf und sollte man nicht außer Acht lassen, dass Steuerhinterziehung eine Straftat ist, die eine Strafsanktion beinhaltet, doch sollte man auch bedenken, dass die Vorschriften über die Steuerhinterziehung, § 370 Abgabenordnung, auch nur das Vermögen des Staates als geschütztes Rechtsgut in Bezug nimmt. Die Selbstanzeige ist dann auch nur ein weiteres Element in den Schutzvorschriften für dieses Rechtsgut. Nicht nachzuvollziehen sind vor diesem Hintergrund aktuelle politische Erwägungen, die Strafbefreiung nur noch für Bagatellsachverhalte (im Gespräch sind Grenzen von ca. 50.000,00 € Steuerschaden) gelten zu lassen. Die Steuerhinterziehung in Bagatellsachverhalten ist strukturell genauso eine Gefährdung des geschützten Rechtsguts „Steueraufkommen“ wie in nicht Bagatellfällen, so dass m.E. in beiden Fällen ein identischer Strafunwert in diesen Taten liegt. Da ist es schon angebrachter, die Aussetzung der Strafverfolgung, auf die es schließlich jedem Steuerstraftäter ankommt, durch Zahlung einer Strafsteuer, entsprechend der aktuellen Regelung in § 398a Abgabenordnung, zu erreichen.
Unabhängig von diesen allgemeine Erwägungen wird es derzeit trotzdem eng für die relevanten Steuerhinterziehungsfälle mit Auslandsbezug. Der Aufkauf von Daten-CDs schreitet unermüdlich voran und betrifft jetzt nicht mehr nur die Schweiz, sondern auch schon Lichtenstein. Alleine aus diesen Umständen droht ein signifikantes Entdeckungsrisiko, das zu planvollen Überlegungen anhalten sollte und insbesondere jetzt, da es sie noch gibt, die Möglichkeiten einer Selbstanzeige abgewogen werden müssten.
Über dieses besondere Entdeckungsrisiko aus den Steuer-CDs hinaus gibt es aber weitere Besonderheiten zu bedenken, die aus dem Rechtsverkehr mit der Schweiz stammen.
Der Schweizer Bundesrat hat am 16.01.2013 beschlossen, das Schweizer Steueramtshilfegesetz in Kraft zu setzen, das als Ausführungsgesetz die Schweizer Amtshilfe bei Auskunftsersuchen ausländischer Steuerbehörden regelt. Rechtsgrundlage eines solchen Auskunftsersuchens sind die sogenannten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Diese sind bilaterale Staatsverträge, die insbesondere auch die Bundesrepublik Deutschland mit vielen Staaten, so auch mit der Schweiz, abgeschlossen hat. Diese Doppelbesteuerungsabkommen weisen in grenzüberschreitenden Doppelbesteuerungsfällen (Fall, in dem mehr als ein Staat bestimmte Einkünfte besteuern möchte) das Besteuerungsrecht einem der Vertragsstaaten zu und beugen somit Fällen von Doppelbesteuerung vor. Solche Doppelbesteuerungsabkommen beinhalten in der Regel eine Auskunftsklausel, nach der ein Vertragsstaat dem anderen Vertragsstaat in definierten Fällen Auskunft erteilen muss. So beinhaltet das aktuelle Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz eine sog. große Auskunftsklausel. Danach könnten in Verbindung mit dem neuen schweizerischen Steueramtshilfegesetz Gruppenanfragen nach dem Standard der OECD zulässig sein. Nach diesem Verfahren könnten Informationen zu einer Mehrheit von Bankkunden in der Schweiz abgefragt werden, wenn deren allgemeine Vorgehensweise zur Vermeidung der Besteuerung in Deutschland durch die deutschen Behörden beschrieben werden kann. Auskunftsersuchen ohne klare Anhaltspunkte, sog. Fishing-Expeditions, sind aber weiterhin unzulässig. Mit dem Schweizer Steueramtshilfegesetz sind solche Anfragen jedoch nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft, d.h. ab Februar 2013, möglich. Unabhängig von dem Ankauf der Steuer-CDs ergibt sich also alleine schon aus dieser neuen gesetzlichen Möglichkeit des Auskunftsersuchen an die Schweiz, dass eine Tatentdeckung von Steuerhinterziehungstaten droht.
Längst ist jedoch das Tatentdeckungsrisiko aus Sachverhalten mit der Schweiz zu einem globalen Problem geworden. Die Süddeutsche Zeitung meldet am10. Mai 2013, dass Deutsche Fahnder nunmehr auf Offshore-Daten zugreifen können. Behörden in den USA, Großbritannien und Australien würden derzeit geheime Unterlagen aus Steueroasen auswerten (insgesamt 400 Gigabyte an Material). Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung handelt es sich um die sogenannten Offshore-Leaks-Dateien, die von zwei Firmen stammen sollen, die sich auf die Errichtung von Offshore-Gesellschaften spezialisiert haben und zu den größten Anbietern weltweit gehören sollen. 130.000 Personen aus mehr als 170 Ländern sollten darin genannt sein. Die deutschen Behörden sollen, international koordiniert, Zugriff auf diese Daten und Unterstützung bei der Auswertung von Steuerbehörden anderer Staaten erhalten. Aber auch ohne diese Informationen aus der Auswertung der Offshore-Daten hatte unlängst Großbritannien angekündigt, ihren eigenen Einfluss in Bezug auf die überseeischen Besitzungen auszunutzen, um die lokalen Regierungen zur Kooperation in Steuerfragen zu bewegen.
Aus diesen faktischen, wohl künftig weiter anschwellenden Datenströmen aus CDs, sonstigen Datenverkäufen, investigativen Journalisten, etc. an deutschen Fahndern könnte daher politisch die Überzeugung erwachsen, dass es zum Schutze des Steueraufkommens in Deutschland der Regelung zur strafbefreienden Selbstanzeige nicht mehr bedarf. Der Handlungsdruck auf Steuersünder wächst daher zunehmend, da sich möglicherweise das Tor zur Strafbefreiung bald schließen könnte.
Aber trotz dieser Situation ist von einem übereilten Vorgehen abzuraten. Eine unzureichende Selbstanzeige kann katastrophale Folgen haben, wie es der Fall Hoeneß beweist. Denn jede fehlerhafte oder unvollständige Erklärung ist nichts als ein einlassungsgleiches Geständnis, das die Strafbarkeit nicht vermeiden kann. Da der 1. Strafsenat des BGH mit seiner Entscheidung vom 20.05.2010 (DStR 2010, 1133; HFR 2010, 988) klargestellt hat, dass eine Straffreiheit in Stufen nicht mehr zur Straffreiheit führen kann, muss eine solche strafbefreiende Selbstanzeige gut und vollständig vorbereiten werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Eine Erklärung in 2 Schritten (nach dem Motto jetzt offenlegen und in einem zweiten Schritt die konkreten Inhalte nachliefern) wird nicht mehr anerkannt.
Tipp:
Sollten Sie sich zur Durchführung einer strafbefreienden Selbstanzeige entscheiden oder beraten lassen wollen, beauftragen Sie damit nicht Ihren laufenden Steuerberater. Diesen könnten Sie mit der Offenbarung der Hinterziehung in die Verlegenheit bringen, das Mandat niederlegen zu müssen, um sich selber vor dem Vorwurf der strafbaren Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu schützen. Wenden Sie sich dazu bitte an steuerstrafrechtlich tätige Rechtsanwälte oder Berater.
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